darin, was klingt darin, was ist der Ton oder das Timbre des Hörens? Wäre das Hören ...

Archive: Programmes of previous years: 2003/2004


Einleitung
Der Grenzbereich zwischen Improvisation und Komposition, der sich schon in den letzten Jahren in den Programmen der IGNM Zürich als Roter Faden entdecken liess, ist auch in diesem Jahr Gegenstand der Auseinandersetzung. Die eingesetzten Mittel wie auch die klanglich zu erwartenden Ergebnisse - so genau weiss man das im voraus ja nie ... - bei den Konzerten von Polwechsel und Focus zeigen die ganze Bandbreite der Möglichkeiten auf, sind aber selbstverständlich nur kleine Ausschnitte einer lebendigen Szene, - die so gross ist, dass man eigentlich gar nicht mehr von Szene sprechen kann.
Ein weiterer Schwerpunkt der Saison bildet das in der einmal mehr erspriesslichen Zusammenarbeit mit der Musikhochschule entstandene Doppelporträt Alvin Lucier / Phill Niblock. Uns freut besonders, dass zumindest Lucier sein Kommen angekündigt hat. Auch das Konzert mit der Cellistin Frances-Marie Uitti entstand aus einer Zusammenarbeit mit der HMT. Näheres dazu im Konzertbeschrieb.
Musiktheatralische Aspekte sind in den Konzerten mit dem Tessiner Komponisten Mario Pagliarani sowie dem Trio Atros zu entdecken.
Und schliesslich bietet das Konzert im Januar die Möglichkeit zur Begegnung mit einem "Urgestein" der elektroakustischen Musik aus der Schweiz, dem auch als Plastiker tätigen Oscar Wiggli. 
Alles in allem glauben wir, ein spannendes, vielfältiges Programm zusammengestellt zu haben. Bleibt uns nur noch, Ihnen an unseren Konzerten interessante musikalische Begegnungen zu wünschen. 
VALENTIN MARTI


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Donnerstag, 11.September 2003, 21.00 Uhr - 23.10 Uhr

Theater Stadelhofen, Stadelhoferstr. 12, 8001 Zürich

Opera Della Notte (2001) (Nachtoper) von Mario Pagliarani

21 Uhr Prolog: Gemeinsame Nachtwanderung mit Lesung des Textes von "Opera della Notte" von Giuliano Scabia in deutscher Sprache (Sprecher: Yves Raeber) (Treffpunkt Bahnhof Stadelhofen, Schalterhalle)
22 Uhr "Opera della Notte" im Theater Stadelhofen 

Roberto Balconi, Sprecher
Hieronymus Schädler, Flöte
Arianna Camani, Harfe
Claudio Jacomucci, Akkordeon
Claude Hauri, Violoncello
Mario Pagliarani, Technik & Regie

In der Mitte die Stimme, Giuliano Scabias Dichtung. Darum herum, im Halbkreis, das Publikum und um das Publikum die vier Musiker mit ihren Instrumenten: Flöte, Harfe, Akkordeon, Violoncello. Jeder von ihnen auf einem Podium, wie vier in Nacht getauchte Inseln oder Städte. Mattes Licht: weiss für den Sprecher, blau für die Musiker. Der Text ist der Weg, die Musik die Landschaft, die er durchquert, die Zeit ein Wald. Die Töne erforschen den Raum, definieren die klangliche Umgebung des Zuhörers, hüllen ihn ein. 
Kreisrundes Theater des Hörens. 
Und inmitten der Klänge von Grillen, Lastwagen, Kirchenglocken, Flugzeugen, Hunden, Winden, schwebt Franz Schuberts Geist. Die Musik der OPERA DELLA NOTTE ist wie eine Röntgenaufnahme eines seiner schönsten Lieder: Nacht und Träume (das auch einem Beckettschen Fersehdrama den Titel gibt), zerlegt und in einer völlig andern zeitlichen Dimension wieder zusammen - gesetzt (= kom - poniert). Die Noten des Lieds werden zum Firmament. Drei Momente totaler Dunkelheit unterstreichen die Dreiteiligkeit von Scabias Dichtung (OPERA DELLA NOTTE 1, 2, 3) mit Klängen von Steinen und Flaschen, die aus prähistorischer Zeit oder aus einer fernen Zukunft zu kommen scheinen. Nach dem letzten Vers ...come un fiore quando si apre al vuoto (wie eine Blume, die sich der Leere öffnet) verliert sich der Weg der OPERA DELLA NOTTE. Die vorher durch den Text ausgelösten Klänge tauchen wieder im Gedächtnis auf, schwimmen einsam, ohne Worte, und werden zum Instrumental-Finale: Rotondo spazio senza fine cielo (Runder Raum ohne Grenze Himmel). MARIO PAGLIARANI
(Ãœbersetzung: Lucienne Rosset)

Mit Unterstützung von Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung 


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Freitag, 21. November 2003, 21.00 Uhr

"Slauer Baal" (vormals "Blauer Saal"), Limmatstrasse 264, 8005 Zürich
Eingang im Hof www.slauerbaal.ch

Polwechsel & Christian Fennesz

John Butcher, Tenor- und Sopran-Saxophone
Werner Dafeldecker, Kontrabass, Computer, akustische Gitarre
Christian Fennesz, Computer, akustische Gitarre, Synthesizer
Michael Moser, Violoncello, Computer
Burkhard Stangl, akustische und elektrische Gitarre, Electronics.

1993 von Werner Dafeldecker und Michael Moser gegründet, gilt das Quartett, zu dem noch Burkhard Stangl und der britische Saxophonist John Butcher gehören, als eines der konsequentesten und radikalsten Ensembles im Schnittbereich von Neuer Musik und struktureller Improvisation. Eigens für das Konzert in Zürich ist der Gitarrist und Elektroniker Christian Fennesz ebenfalls mit von der Partie.

Distanziert-kühler Einsatz von Elektronik und exakt kalkulierte, slowmotion-artige Transformationen von Geräusch-Tableaus und Klangkomplexen - oft nur knapp über der Hörschwelle und unter Einsatz unorthodoxer Spieltechniken des "analogen" Instrumentariums - dominieren die Arbeit der fünf Klangforscher. Genauigkeit und Verlust ? die Musik oszilliert zwischen diesen Polen, die vorerst nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Genauigkeit wird in jeder Faser gefordert, vom Kompositionsprozeß bis hin in das kleinste Detail der spielerischen Ausführung ... Die Kompositionen beruhen auf dem Finden und Einander-Aussetzen von extremen Klangzuständen. CHRISTIAN SCHEIB


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Donnerstag, 4. Dezember 2003, 19.30 Uhr

Musikhochschule Zürich, Florhofgasse 6, Grosser Saal, Zürich

Frances-Marie Uitti

Frances-Marie Uitti ist spezialisiert auf (Ur-) Aufführungen zeitgenössischer Cello-Solo-Literatur, die sie meist in enger Kooperation mit den Komponierenden erarbeitet. Entsprechend reich ist ihre Erfahrung mit Ausdrucksweisen und aktuellen Spieltechniken bis hin zu der von ihr entwickelten 2 Bogen Spieltechnik. In Zürich wird sie ein Programm ihr gewidmeter Stücke unter Einbezug von elektronischen Mitteln mit Werken von Nono, Kurtag, Scelsi, Harvey, Xenakis, Barrett und Uitti als Auftakt zu (öffentlichen) Begegnungen mit den Kompositionsstudierenden und der Streichern der Musikhochschule spielen. FELIX BAUMANN


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Donnerstag, 18. Dezember 2003, 19.30 Uhr

Kulturhaus Helferei, Kirchgasse 13, 8001 Zürich

focus - Neue Kammermusik für Solostimme und Blockflöte

Giorgio Tedde - Austro (1993) für Blockflöte und Live-Elektronik
Hagen / Knöchlein - Intermezzo / Faridas kleine Ziadah / Haben sie den Überblick? (2002/3, UA)
Thorsten Töpp - A rien (1999) für Stimme solo
Hans-Ulrich Lehmann - Sprich" (1993) für Altus und Blockflöte
Fabrizio de Rossi Re - Salse (1993) für Blockflöte und Tonband
Hagen / Knöchlein - Sie schwitzen: Hier ist die Lösung / Wir schenken Ihnen ein Jahr Gratis Benzin / Die Zeit im Griff" (2002/3, UA)
Mauricio Rosenmann - Solomisazione, Opera per una persona sola (1997-2002) (Quadro 4, Scene 1-3)

Astrid Knöchlein, Blockflöte(n) 
Javier Hagen, Stimme(n)

Die Zusammenarbeit von Astrid Knöchlein und Javier Hagen geht auf das Jahr 2000 zurück. Die Programmkonzepte von focus werfen seither ein besonderes Augenmerk auf die neue und neuste Musik an der Grenze zwischen Improvisation und Notation, wobei Knöchlein und Hagen verschiedenste Stilrichtungen und ästhetische Ansätze collageartig miteinander korrespondieren lassen.
So stehen eigene aus Konzeptimprovisationen entstandene Kompositionen Werken unterschiedlicher Komponisten wie Lehmann und Rosenmann oder - aus einer jüngeren Generation - Töpp gegenüber. Man darf gespannt sein, welche Räume sich an den Bruch-/ bzw. Nahtstellen dieses Programms im Aufeinandertreffen der verschiedenen musikalischen Sprachen auftun. VALENTIN MARTI


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Montag, 19.Januar 2004,19.30 Uhr

Musikhochschule Zürich, Florhofgasse 6, Grosser Saal, Zürich

Oscar Wiggli - der Musik-Elektroniker und Eisen-Plastiker

Programm: Elektronische Kompositionen dazu Hinweise auf seine Bildhauertätigkeit
(Der Künstler wird anwesend sein)

Auf beiden Gebieten ist der heute 76-jährige, aber immer noch voll aktive Künstler seinen ganz eigenen, aber immer höchst professionellen Weg gegangen. Bis jetzt allerdings sind seine Musikwerke noch nicht so bekannt wie seine Plastiken. FRITZ MUGGLER

In Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Zentrum für Computermusik


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Sonntag, 1.Februar 2004, 17.00 Uhr

Radiostudio DRS, Brunnenhofstrasse 22, 8042 Zürich
(Tram 11 bis Radiostudio)

Vier Kompositionen für vier Klaviere in Skordatur von Edu Haubensak

Veraenderte Luft (1998)
Spazio (1993/94)
Gefaerbte Variationen (2002 UA)
Halo (2001 UA) 

Tomas Baechli, Klaviere

Wenn das Publikum den Grossen Sendesaal des Radiostudios betritt, sieht es vier Konzertflügel auf der Bühne. Jedes dieser Instrumente besitzt 88 Tasten und mehr als 200 Saiten, die auf spezielle Weise neu eingestimmt sind. 
In den Kompositionen VERAENDERTE LUFT und GEFAERBTE VARIATIONEN werden die Saiten um 1-44 Cent ,bzw. 3-89 Cent erhöht oder erniedrigt (100 Cent = Halbton). Es resultieren zwei ungleichstufige, nichtoktavrepetierende Stimmungen, mit aufgefächerten Intervallspektren. Auf andere Weise verändert sind die Stimmungen in SPAZIO und HALO.
Hier werden die Saitenchöre um 33 Cent, bzw. 166 Cent gespreizt. Es entstehen kleine Clusters auf jeder Taste und die Instrumente klingen räumlich bei akkordischem Spiel.
Sie werden zu einem speziellen Konzert ins Radiostudio Zürich eingeladen. EDU HAUBENSAK

Koproduktion Radio DRS 2 und Dokumental


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Freitag, 12. März 2004

Slauer Baal, Limmatstrasse 264, 8005 Zürich
(Eingang im Hof) www.slauerbaal.ch 

TITEL folgt 

Musik von Alvin Lucier und Phill Niblock 1970-2001

20.30 Uhr

Alvin Lucier - Quasimodo the Great Lover (1970) For relays of amplification systems

Alvin Lucier - (Hartford) Memory Space (1970) For any number of instrumental players with recordings of environmental sounds

Alvin Lucier - Music for Pure Waves, Bass Drums and Acoustic Pendulums (1980) 
Sound installation and performance for slow sweep oscillator, loudspeakers, bass drums and suspended ping pong balls

Alvin Lucier - Music for Piano with Amplified Sonorous Vessels (1991)

Studenten der Musikhochschule Winterthur Zürich

22.30 Uhr

Alvin Lucier - Wind Shadows (1994)
Craig Shepard, Posaune

Alvin Lucier - Sestina (2000)
Kontra Trio: Thomas K.J. Mejer, Kontrabassaxophone, Madeleine Bischof, Kontrabassflöte, Leo Bachmann, Kontrabasstuba

Phill Niblock - Unmentionable Piece for Trombone and Sousaphone (1983/1994)
Craig Shepard, Posaune, Leo Bachmann, Sousaphon

Phill Niblock - Yam almost May (2001)
Marino Pliakas, E-Bass, mit E-bow und Bogen

Phill Niblock - Kontradictionaries (2000)
Kontra Trio: Thomas K.J. Mejer, Kontrabassaxophone, Madeleine Bischof, Kontrabassflöte, Leo Bachmann, Kontrabasstuba

00.30 Uhr

Alvin Lucier - "I am Sitting in a Room" (1970) für Stimme und Tonband
Studenten der Musikhochschule Winterthur Zürich


Als sich Alvin Lucier 1965 einen Elektrodenhelm auf den Kopf setzte, dann regungslos dasass, um mit den aus dem Hirn empfangenen Alphawellen Musik zu machen, bedeutete dies einen Neuanfang von beispielloser Radikalität... Seither schafft Lucier in vielfältigen Kombinationen von Instrumenten, mechanischen und elektronischen Klangerzeugern immer neue Situationen, in denen natürliche Eigenschaften des Klangs - Resonanz, Reflexion, Schwebung - in ihrer ganzen Schönheit und Tiefe ausgehört werden können. Dabei spielt auch der Raum selbst eine bestimmende Rolle. Luciers Musik ist schlicht, unaufgeregt, sie spielt sich jenseits von Selbstausdruck oder Selbsterfahrung ab - ein konzentriertes Zuhören um seiner selbst willen möchte sie erreichen.
In New York ist der 1933 geborene Intermedia Künstler Phill Niblock seit etwa 30 Jahren ein Geheimtip unter Musikern. Obschon in den Geschichtsbüchern meist ausgelassen, gehört er zur ersten Generation der Minimal Komponisten und ist Gründer von Experimental Intermedia Foundation. Diese hat seit 1968 über 1000 Konzerte, u.a. in Niblocks Loft, organisiert. In Europa hingegen wird er erst - nach einer Reihe von CD Veröffentlichungen - in den letzten Jahren wahrgenommen. Seine Musik kommt ohne Rhythmus und Melodie aus, sie lebt von geschichteten mikrotonal gestimmten Drones und ihren Schwebungen, die bis zu massiven Klangmassen anschwellen. Die reichen Obertontexturen werden einerseits durch tiefklingende Instrumente, andererseits mit hoher Lautstärke erreicht. Konzertaufführungen können daher zur äußerst physischen Angelegenheit werden. Diese Auftritte zeichnen sich meist durch ein Zusammenspiel zwischen vorproduziertem und live entstehendem Material aus.

Alvin Lucier wird vom 10. - 12.3.04 an der Musikhochschule anwesend sein, in verschiedenen Veranstaltungen seine Musik vorstellen und mit den Studierenden einarbeiten.

Es freut uns, dass das Kontra Trio zwei eigens für sie komponierte Werke aufführt. FELIX PROFOS, JOGRIM ERLAND 

Das Projekt findet statt in Zusammenarbeit mit dem Studio neue Musik der Musikhochschule Winterthur Zürich. 


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Mittwoch, 31. März 2004, 20.15 Uhr

Theater Stadelhofen, Stadelhoferstr.12, 8001 Zürich

Trio ATROS - Uraufführungen von Michael Heisch und Daniel Mouthon

Michael Heisch (1963) - carpe noctem (2004) UA
Daniel Mouthon (1952) - N o t t u r n o v e r ( I ) UA
Mauricio Kagel (1930) - Serenade (1994/95)

Hieronymus Schädler , Flöte
Markus Hochuli , Gitarre
Martin Lorenz, Schlagzeug

Daniel Mouthon, szenische Einrichtung

Das Trio ATROS hat um Mauricio Kagels "Serenade" ein abendfüllendes und durchgehendes Programm zum Thema "Nocturne" konzipiert. Dafür wurden zwei Kompositionsaufträge an Michael Heisch und Daniel Mouthon vergeben, die verschiedene Facetten des "Notturnos" erhellen.

carpe noctem
Im neusten Werk ‚carpe noctem' von Michael Heisch stehen Untersuchungen über ein instrumentales Klangschattenalphabet im Vordergrund. Gleichzeitig bilden diese Untersuchungen Verknüpfungssysteme und erforschen die von Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658) erfundene Sprachmaschine. Dessen ‚ars combinatoria' kann aus heutiger Sicht durchaus als eine Art ‚Software des Barocks' betrachtet werden. Michael Heisch benützt für seine Komposition moderne Computerprogramme, so auch um Harsdörffers rankende Regelwerke ad absurdum zu führen.

n o t t u r n o v e r ( I ) 
Eine Nähe zum Notturno bezeugt das Stück durch seine mehrteilige Anordnung (Spaces, Nachklänge, Intermezzi) und die instrumental und gesanglich evozierten nächtlichen Szenen. Das Moment von ‚turnover' ist angelegt : als ‚Umsatz' und ‚Umgruppierung' in den Texten zu den stimmlichen Deklamationen und Verhandlungen der drei Instrumentalisten ( Business & Geschäfte nach ‚Ladenschluss') und als Verschiebung im Shifting der sprachlichen Sinnbedeutungen ( Bewusstsein & Gespräche zwischen Tag und Traum). LARA STANIC

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